Im Jahr 2019 haben wir erstmals das Thema Direktberatung bei Regionalbanken bundesweit unter die Lupe genommen. Ziel des Tests war es, die Qualität einer Neukundenberatung ohne Filialbesuch, bequem von der heimischen Couch aus, zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen gleichermaßen Potential und Handlungsbedarf auf.

Um die Vergleichbarkeit mit einer konventionellen „Vor-Ort-Beratung“ in der Filiale zu gewährleisten, entsprachen die relevanten persönlichen und finanziellen Kundendaten exakt dem Kundenprofil des bewährten Bankentests „BESTE BANK vor Ort“. Auch der geäußerte Kundenwunsch nach Anlage einer langfristig ausgerichteten, monatlichen Sparrate war identisch. Selbstverständlich erfolgte die Bewertung der Beratung auf Basis der DIN 77230 (Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte).

Die Auswahl des Kommunikationsweges haben wir hingegen vollkommen den jeweiligen Banken überlassen. Hierbei wurden sowohl Telefonberatung, Textchat und Videoberatung, teilweise in Verbindung mit Desktop-Sharing, genutzt. Am erfolgreichsten erwies sich dabei die Kombination aus Videoberatung und Desktop-Sharing.

Erfreulich ist, dass die Kommunikation technisch in allen Fällen reibungslos und unproblematisch verlief. Auch eine besondere Technikaffinität auf Kundenseite war keinesfalls notwendig.

Bei der inhaltlichen Betrachtung der Direktberatungen zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Eine zentrale Herausforderung war das Erkennen elementarer Bedarfslücken des Kunden, insbesondere in den Bereichen Basisabsicherung und Altersvorsorge. Dies gelang leider nur in wenigen Fällen.

Ausschlaggebend hierfür war in der Regel eine unzureichende Bedarfsanalyse. Diese erfolgte nur in Ausnahmefällen anhand eines strukturierten Finanzplans. Wichtige Bedarfslücken des neuen Kunden blieben so leider oft unerkannt. Meistens ging es hierfür lediglich um die Beantwortung der Kundenanfrage, ohne dass eine ganzheitliche Beratung erlebbar war.

Unverständlich, da die meisten Banken über eine entsprechende digitale Version ihres Finanzplans verfügen, welche in der „normalen“ Filialberatung regelmäßig Anwendung findet.

Ob die häufige Nicht-Nutzung eines Finanzplans dabei von Fall zu Fall strategisch gewollt oder ungewollt ist, können wir an dieser Stelle nicht beurteilen. Allerdings sind wir davon überzeugt, dass eine vertriebliche Multi-Kanal-Strategie keinesfalls zu einem „Multi-Qualitäts-Standard“ führen sollte.

Die teils deutlichen Qualitätsunterschiede zwischen Filial- und Direktberatung realisieren vor allem Kunden, die mehrere Vertriebswege in Anspruch nehmen. Wir gehen fest davon aus, dass der Anteil dieser hybriden Kunden auch weiterhin deutlich zunehmen wird.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel einer Regionalbank aus Nordrhein-Westfalen.

Hier haben wir eine digitale Video-Neukundenberatung erfahren, die auch höchsten Ansprüchen, unabhängig des Vertriebsweges, gerecht wird. Erfolgsfaktor war eine umfassende und zugleich effiziente Bedarfsanalyse mithilfe eines standardisierten Finanzplans. So konnten alle wichtigen Bedarfslücken, wie z.B. eine fehlende Einkommensabsicherung und ungenügende Altersvorsorgeaufwendungen, erkannt und verdeutlicht werden.

Die passenden Empfehlungen und das Erarbeiten eines entsprechenden Handlungsplans gemeinsam mit dem Kunden führten dann folgerichtig zu einem sehr guten Gesamtergebnis.

Vermeintliche Nachteile einer Direktberatung, wie beispielsweise die räumliche Distanz, konnten hierbei durch den geschickten Einsatz von passenden Visualisierungshilfen per Desktop-Sharing nahezu vollständig egalisiert werden.

Dieses Beispiel zeigt, wieviel Potential in der Direktberatung steckt. Die Gesamtbetrachtung zeigt aber auch, wieviel Arbeit zahlreiche Institute noch vor sich haben, um den digitalen Vertriebsweg qualitativ hochwertig und damit letztendlich auch erfolgreich für sich zu nutzen.

 

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